Workshop von Sabine Keßel zum Thema: Resilienz und Achtsamkeit in der Schule

Sabine Keßel, die als systemische Beraterin und Coach in Köln arbeitet, beginnt ihren Workshop nicht mit theoretischen oder akademischen Überlegungen, sondern direkt mit einer praktischen Übung zum Ankommen: Sie lädt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu einer Aufmerksamkeitsübung ein, bei der es darum geht, in einer bequemen Sitzposition mit geschlossenen Augen die Aufmerksamkeit auf den jetzigen Moment zu lenken. Achtsamkeitstraining, so die Auffassung von Frau Keßel, ist die Schlüsselkompetenz für Resilienz.

Worum geht es? Alle Menschen – ob in Schule, Beruf oder im Privatleben – stehen vor großen Herausforderungen, bei denen oftmals auch geeignete Strategien zur Krisenbewältigung vonnöten sind. Frau Keßel fragt mit Nelson Mandela, wie man aus Krisen wieder aufstehen kann, oder sie stellt mit Robert Louis Stevenson fest, dass es im Leben nicht darauf ankomme, ein gutes Blatt zu haben, sondern mit schlechten Karten ein gutes Spiel zu machen.

Was ist eigentlich Resilienz? Mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern arbeitet sie zunächst die Bedeutung des Begriffs heraus. Resilienz ist als Widerstandsfähigkeit bzw. die Fähigkeit von Menschen zu verstehen, Krisen zu bewältigen und gestärkt daraus hervorzugehen.

Wie entsteht nun Resilienz und was sind unterstützende Faktoren? Resilienz hat sowohl eine genetische als auch eine soziale Komponente und ist ein permanenter Prozess und gleichzeitig Ergebnis dieses Prozesses. Schutzfaktoren, die Resilienz unterstützen, sind zum einen beim Kind dessen persönliche Ausstattung (wie ein offenes und aktives Temperament, soziale Kompetenzen, Selbstregulation, Intelligenz), zum anderen in der Familie bestimmte Bedingungen (wie eine verlässliche Bezugsperson zu haben, ein unterstützendes Erziehungsklima, etc.) und des weiteren schulische Faktoren (wie ein wertschätzender Umgang, verantwortungsvolle Aufgaben für Schülerinnen und Schüler, einen Lieblingslehrer als Vorbild etc.).

Wie kann man Resilienz trainieren? Die Resilienzforschung hat wichtige Faktoren ermittelt, die resiliente Personen besitzen, z. B. Optimismus, Selbstwirksamkeit oder auch Netzwerkorientierung. Achtsamkeit kann aber bei weniger resilienten Menschen Resilienz aufbauen und unterstützt dabei den Prozess, alte Verhaltensmuster zu durchbrechen, etwa durch die Lenkung der Aufmerksamkeit auf den jetzigen Augenblick, ohne zu bewerten oder etwas verändern zu wollen. Dadurch soll der Geist beruhigt werden, der oftmals in der Vergangenheit bzw. in der Zukunft orientiert verharrt. An dieser Stelle lädt sie die Teilnehmer und Teilnehmer zu einer auf die Atmung konzentrierte Aufmerksamkeitsübung ein. Der Atem wird hier verstanden als „Anker“, zu dem man bei gedanklichen Abschweifungen immer wieder zurückkehren kann und sich so bewusster fokussiert und wahrnimmt.

Im Achtsamkeitstraining spielt das „Rad der Bewusstheit“ eine bedeutsame Rolle. Man durchläuft dabei alle Stufen von der Wahrnehmung über die Gedanken und Bewertungen, die Gefühle, Köperempfindungen und Absichten bis hin zum Verhalten. Da oft die Bewertungen die Gefühle beeinflussen (wie ein „Autopilot“), kann Resilienz gestärkt werden, indem man sich in einem ersten Schritt bewusst wird, wie dieser Prozess abläuft und in einem zweiten Schritt lernt bzw. übt, wie man bewusster und dadurch mit Abstand reagieren kann. Angesichts der häufig direkten Reaktion auf einen Impuls können die Übungen zur Achtsamkeit Raum für Bewusstheit schaffen oder anders ausgedrückt, um mit Victor Frankl zu sprechen: „ Zwischen Reiz und Reaktion liegt die Freiheit.“

Resilienz kann also trainiert werden durch Aufmerksamkeitsübungen, die den Prozess von vorschnellen Reaktionen und unregulierten Emotionen durchbrechen und helfen mit Bewusstheit gesteuerter zu handeln. Aufmerksamkeit auf das Hier und Jetzt führt zu vertiefter Selbstwahrnehmung und Selbsterkenntnis und ermöglicht schließlich ein gesundes Selbstmanagement.

Frau Holtgrefe vom Erich-Gutenberg-Berufskolleg in Bünde, die sich in die Gespräche im Workshop schon eingebracht hat, äußert sich zum Abschluss sehr positiv zum Workshop von Frau Keßel: „Es ist spannend und wertvoll für Lehrer, über ihre eigene Resilienz zu reflektieren, denn es strahlt auf die Schülerinnen und Schüler aus und hat Auswirkungen auf Unterricht, weil wir ja eine Vorbildfunktion haben.“

Frau Holtgrefe und ihr Kollege Herr Schindèle haben die gleiche Klasse vor Augen, die eine Achtsamkeitstraining machen könnte, weil es ihnen gut täte, aber sie befürchten, dass sie sich möglicherweise nicht alle Schüler darauf einlassen würden, weil eine große Konkurrenz unter ihnen herrsche und demnach die Angst sich fallen zu lassen im Vordergrund stehen würde. Aber auch Lehrerinnen und Lehrer seien – so Schindèle - nicht immer aufmerksam für die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler, weil bei den Lehrkräften das Fachliche im Vordergrund stehe, auch wenn die Klasse signalisiere, dass die Aufmerksamkeit für weitere Unterrichtsinhalte bspw. nach einer anstrengenden Klausur nicht gegeben sei. Herr Schindèle resümiert: „ Ich finde die doppelte Ausrichtung (des Aufmerksamkeitstrainings) gut für die Lehrer und für Schüler. Es kann sowohl dem Kollegium als auch den Schülern nutzen.“

von Martin Schmitt und Ulrike Thöne